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Studierende testen innovatives Material zur Abschirmung von Störungen

Bielefeld | Minden -

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Der Messaufbau, den die Studierenden im PAW „Bewertung moderner Schirmkonzepte“ entwickelt haben, ist skalierbar und somit auch für andere Projekte einsetzbar. Foto: S. Jonek/FH Bielefeld
         
Wenn elektronische Geräte oder Komponenten sehr nahe beieinander im Einsatz sind, darf nichts „dazwischenfunken“. Häufig müssen sie voneinander abgeschirmt werden, um zuverlässig zu funktionieren. Für diese Schirmung werden immer neue Materialien entwickelt. Doch wie gut funktionieren sie? Das haben Studierende der FH Bielefeld am Campus Minden am Beispiel eines neuartigen Materials untersucht und gleich einen skalierbaren Messaufbau mitentwickelt, um die Schirmdämpfung ermitteln zu können.

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Kaum betritt man den Raum, wird es still. Die Geräusche sind gedämpft, die Luft scheint zu stehen. Sogenannte Absorber schlucken neben den elektromagnetischen Wellen auch den Schall – große Schaumstoffpyramiden verkleiden Boden, Wände und Decke. Wir befinden uns im Herzstück des Labors für elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) am Campus Minden der FH Bielefeld. In der Absorberkammer werden nicht nur die elektromagnetischen Emissionen von Geräten gemessen, sondern auch ihre Störfestigkeit gegenüber Feldern. Der Raum ist ein sogenannter Faraday‘scher Käfig mit einer sehr hohen Schirmdämpfung. Somit wird verhindert, dass Signale von außen die Messung beeinflussen beziehungsweise, dass die Außenwelt gestört wird. Die Absorber im Inneren der Kabine verhindern zudem Reflexionen der Felder an den metallischen Wänden und sorgen für eine definierte Messumgebung.

Theorie und Praxis in einem Studierenden-Projekt

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Prof. Dr.-Ing. Sven Battermann hat das PAW „Bewertung moderner Schirmkonzepte“ betreut. Foto: S. Jonek/FH Bielefeld

Genau die war gefragt für das Projekt Angewandte Wissenschaft (PAW) „Bewertung moderner Schirmkonzepte“. PAWs sind fester Bestandteil der praxisintegrierten Studiengänge Elektrotechnik, Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen am Campus Minden, in denen die Studierenden zugleich in Unternehmen beschäftigt sind und abwechselnd Praxisphasen im Betrieb und Theoriephasen an der FH durchlaufen. In den PAWs werden dann Theorie und Praxis im geschützten Rahmen miteinander verbunden. „Die Studierenden bearbeiten eine konkrete, praxisnahe Aufgabenstellung frei und eigenverantwortlich im interdisziplinären Team, sie tüfteln, testen und probieren aus“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Sven Battermann das Konzept. „Dabei können und müssen sie ihr theoretisches Wissen aus den Lehrveranstaltungen anwenden und gleichzeitig ihre Erfahrungen aus den Betrieben einbringen.“

Standortübergreifende FH-interne Kooperation

Battermann ist Studiengangsleiter des praxisintegrierten Bachelorstudiengangs Elektrotechnik am Campus Minden. Er hat das PAW „Bewertung moderner Schirmkonzepte“ im Sommersemester betreut und damit einen ganz besonderen Bezug zur Praxis hergestellt. Denn: Dieses PAW ist sozusagen eine FH-interne Kooperation. Prof. Dr.-Ing. Angela Ries, die in Bielefeld am Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik der FH ein Projekt zur Herstellung neuartiger Materialien für die Schirmung von elektronischen Baugruppen leitet, ist quasi „Kundin“ des PAW. Ries arbeitet mit einer Verbindung von herkömmlichen Schirmgeweben und Glasfasermaterialien. „Diese Materialien sind leicht, stabil und formbar, also vielseitig einsetzbar zum Beispiel in Fahrzeugen, PCs oder Smartphones“, erläutert Sven Battermann. „Voraussetzung ist allerdings, dass das Material elektromagnetische Felder genügend reduzieren kann und ein ausreichendes Schirmdämpfungsmaß besitzt.“ Genau das sollen die Mindener Studierenden in ihrem PAW herausfinden.

Die Herausforderung lautet: Reproduzierbare Messergebnisse erzielen!

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Üblicherweise wird das Schirmdämpfungsmaß in Laboren mit standardisierten Verfahren ermittelt. Dazu erfolgen zwei Messungen – eine ohne und eine mit der zu untersuchenden Materialprobe. Das Verhältnis der beiden Messungen ist die Schirmdämpfung. Dabei werden aber nicht alle in der Praxis auftretenden Einflussfaktoren berücksichtigt. „Kritisch ist vor allem eine dauerhafte und gut definierte elektrische Kontaktierung zwischen der Materialprobe und dem metallischen Gehäuse“, erläutert Battermann. „Dazu werden leitfähige Materialien wie Kontaktfedern oder leitfähige Elastomere verwendet, die man in PC-Gehäusen oder Notebooks sieht. Deren Eigenschaften ändern sich aber mit der Zeit. Verringert sich zum Beispiel der Anpressdruck einer Kontaktfeder, dann wird die Schirmdämpfung geringer, und damit verschlechtert sich die Wirkung der gesamten Schirmungsmaßnahme.“

Bei den standardisierten Verfahren wird der Einfluss der Kontaktierung nicht berücksichtigt. So werden in diesen herkömmlichen Verfahren höhere Schirmdämpfungen gemessen, die beim Einsatz in der Praxis dann aber nicht erreicht werden. „Durch die Verwendung eines verbesserten Messaufbaus könnte man das vermeiden“, so Battermann. Der Experte für elektromagnetische Verträglichkeit ist selbst bestens mit verschiedenen Messtechniken und ihren Fallstricken vertraut und beschloss: „Dann messen wir für das Projekt der Kollegin Ries eben selbst!“ Das Thema für sein diesjähriges PAW war gefunden.

Mit dem EMV-Labor stand die technische Ausrüstung zur Verfügung, mit den Studierenden der praxisintegrierten Studiengänge hochmotivierte Mitarbeiter: Sieben angehende Elektrotechniker waren dabei, sechs Maschinenbau-Studierende und ein künftiger Wirtschaftsingenieur. Sie analysierten zunächst die existierenden Messverfahren und -standards und machten sich mit der Theorie vertraut. Zum Teil von Grund auf: „Für die Messungen brauchten wir Hochfrequenztechnik, die wir aber noch nicht im Studium hatten“, erzählt Marco Weide, der Elektrotechnik studiert. „Also haben wir uns selbst in das Thema eingearbeitet.“

Interdisziplinäre Teamarbeit im EMV-Labor des Campus Minden

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Gemeinsam definierte die Gruppe Teilprojekte, erstellte Projektpläne und teilte sich in Arbeitsgruppen auf, um den benötigten Messaufbau im EMV-Labor zu realisieren. Im Fokus standen ein Gehäuse mit Empfangsantenne im Inneren und mit einer Materialprobe in passgenauer Halterung sowie eine Sende-Antenne für die Erzeugung des elektromagnetischen Feldes. Um die Eigenschaften von Antennen und Gehäuse zu bestimmen, erstellten die Studierenden Modelle in Simulationsprogrammen und führten Feldberechnungen durch.

Die interdisziplinäre Zusammensetzung der Gruppe war dabei nicht nur ein echter Vorteil, sondern entsprach exakt der ingenieurwissenschaftlichen Praxis. „Zwischen Maschinenbauern und Elektrotechnikern herrscht typischerweise eine Art Gewaltenteilung“, so Battermann. „Optimale Projekte können aber erst entstehen, wenn diese Teilung überwunden wird, denn für solche Projekte werden Kompetenzen aus Maschinenbau und Elektrotechnik gebraucht. Eine enge Abstimmung ist unbedingt erforderlich, und jeder muss seine Kompetenzen einbringen.“

Ein angehender Wirtschaftsingenieur verbindet die Disziplinen

Als angehender Wirtschaftsingenieur stellte Soeren Willke das Bindeglied zwischen den Disziplinen dar. Besonders in der Phase der praktischen Umsetzung und der Präsentation war seine Vermittlung gefragt: Beispielsweise wurde der Arbeitsaufwand für vermeintlich einfache Teilaufgaben von der jeweils anderen Disziplin nicht immer realistisch eingeschätzt.

Die Maschinenbauer kümmerten sich um das Gehäuse, die Antennen waren der Bereich der Elektrotechniker. Durch die Projektarbeit wurde das Verständnis für die jeweils andere Disziplin deutlich größer. Da sind sich die Studierenden einig: Man musste sich darauf verlassen, was der jeweils andere Bereich erarbeitete, und sich an die jeweiligen Vorgaben halten. Melissa Meyer von der Elektrotechnik nennt ein Beispiel: „Empfangsantenne und Gehäuse mussten exakt aufeinander abgestimmt werden, schließlich sollte die Antenne ja ins Gehäuse passen.“

Sehr gutes Ergebnis: skalierbarer Messaufbau auch für künftige Projekte

Am Ende funktionierte der Messaufbau und die Studierenden konnten Angela Ries mit einem exakt abgestimmten Messverfahren die benötigten Werte für ihr innovatives Schirmgewebe liefern. Sven Battermann freut sich über das Ergebnis, das die Studierenden zum Semesterabschluss ihren Kommilitonen präsentierten: „Wir haben jetzt einen skalierbaren Messaufbau, mit dem wir weitere Parameter messen und neue Projekte zur Optimierung von Schirmmaterialien realisieren können.“

Quelle und Fotos: Fachhochschule Bielefeld