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Istanbul-Konvention: ihre Chancen und Grenzen

Minden-Lübbecke -

Istanbul Konvention
Unser Foto: Vordere Reihe von links Birgit Bönig (Jugendamt, Stadt Minden), Regina Reichart-Corbach (Beratungsstelle für Schul- und Familienfragen, Kreis Minden-Lübbecke), Daniela Pieper (Jugendamt, Kreis Minden-Lübbecke), Prof. Dr. Stefanie Bock (Philipps-Universität Marburg), Andrea Strulik (Gleichstellungsstelle, Kreis Minden-Lübbecke); mittlere Reihe v.l.: Renate Purwins-Oltmanns (Frauenberatungsstelle, AWO), Dr. med. Reinhard Lubbe (Gesundheitsamt, Kreis Minden-Lübbecke); hintere Reihe v.l.: Klaus Marschall (Sozialamt, Kreis Minden-Lübbecke), Michael Wehrmann (Kriminalkommissariat Kriminalprävention/Opferschutz, Kreispolizeibehörde Minden-Lübbecke). Foto: Janine Küchhold -Kreis Minden-Lübbecke 

Mit der Istanbul-Konvention des Europarates ist ein Vertragswerk entstanden, das Frauen stärker vor Gewalt, insbesondere häuslicher Gewalt schützen soll. Im Juli 2017 ist Deutschland der Konvention beigetreten. Der Runde Tisch der PRIO Vernetzung  gegen häusliche Gewalt des Kreises Minden-Lübbecke hatte jetzt zu einem Fachvortrag der Strafrechtsexpertin Prof. Dr. Stefanie Bock eingeladen. Ihr Vortrag drehte sich um die Frage, welche konkreten Aufgaben und Herausforderungen sich für die beteiligten Staaten aus der Istanbul-Konvention ergeben.  

Andrea Strulik, Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Minden-Lübbecke zeigte sich erfreut über die große Resonanz. Mehr als 80 Anmeldungen zu der Veranstaltung habe die Gleichstellungstelle vorab erhalten. In ihrer Begrüßung machte sie die Bedeutung der Konvention deutlich. „Übereinkommen wie das der Istanbul-Konvention zeigen, wie wichtig die konstruktive Zusammenarbeit auf europäischer Ebene ist.“  

Das „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“, so der vollständige Name der so genannten Istanbul-Konvention, ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der aber von jedem einzelnen Mitgliedstaat ratifiziert werden muss. Insgesamt 46 Staaten, darunter auch Russland und die Türkei, haben den Vertrag bisher unterzeichnet.

Zwar sei die Konvention kein unmittelbar geltendes Recht, sie schaffe aber Rechtsnormen, an die Gesetzgeber, Verwaltungen und Gerichte gebunden seien, betont Bock zu Beginn ihres Vortrags. Mit dem Vertrag verpflichten sich Staaten unter anderem dazu, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um Frauen, die bereits Opfer von häuslicher Gewalt geworden sind, vor weiteren Gewalttaten zu schützen. Aber auch die Prävention von Gewalt und häuslicher Gewalt gegen Frauen stelle einen wichtigen Baustein der Konvention dar, so die Juristin.

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Eine Herausforderung sieht Bock vor allem in der Finanzierung der Maßnahmen. Als Beispiel nennt sie hier die Frauenhäuser, von denen bereits jetzt zu wenige vorhanden seien. Zwei von drei Frauen werden laut einer Studie von Frauenhäusern in Nordrhein-Westfalen abgelehnt. Der Gründe für Ablehnungen seien in den meisten Fällen eine Überbelegung und der Mangel an Kapazitäten in den Frauenhäusern. Der Ausbau und Neubau von weiteren Frauenhäusern scheitere häufig vor allem an Fragen der Finanzierung. Sie gibt zu bedenken, dass die Istanbul-Konvention damit vor einem großen Umsetzungsproblem stehe, wenn nicht einmal eines der reichsten Länder unter den Unterzeichnern die finanziellen Mittel für den Bau weiterer Frauenhäuser zur Verfügung stellen können oder wolle.

Auch sieht Bock einige Probleme hinsichtlich des deutschen Asylrechts. Vor allem für Frauen, die in Unterkünften für Geflüchtete untergekommen sind und dort Opfer häuslicher Gewalt werden, stößt die Konvention an ihre Grenzen. Denn geflüchtete Frauen können in der Regel nur an Frauenhäuser in der Region vermittelt werden, in der sie ihren Wohnsitz haben, so die Juristin. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass sie gegen ihre Residenzpflicht verstoßen, was sich auch negativ auf das weitere Asylverfahren auswirken könne. 

Insgesamt sei die Konvention zwar zu begrüßen, so das Fazit der Juristin, wie hilfreich sie aber schlussendlich sein wird, ist vor allem eine Frage Willens und der Motivation zur Umsetzung der Konvention. 
(Text: Janine Küchhold- Kreis Minden-Lübbecke)