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Was macht „Corona“ mit uns: Kommentar und Kolumne

Kommentar und Kolumne -

Update am 26. März 2020: Die Sache mit dem Einkaufen...

Da steht man am Obst- und Gemüsestand im Supermarkt und überlegt, mit welchen Produkten im Jutebeutel man den Nachhauseweg antreten soll. Auf Abstand natürlich, wie es sich in diesen Zeiten gehört. Andere Zeitgenossen sind da weniger zimperlich und nutzen die "Luft" zwischen den potenziellen Käufern, um kurz mal eben an das Gemüseregal zu treten.

Okay, man ist ja nicht auf der Flucht und wartet also, bis die Auswahl getroffen ist. Jetzt kommt aber das, was mich schon immer gestört hat: Statt lose Tomaten und Äpfel zu nehmen und in eine Papiertüte zu stecken, wird erstmal ein "Festigkeitstest" gemacht. Also Tomaten bzw. Äpfel anfassen, kurz drücken - und dann entweder zurück ins Regal oder vielleicht in die Tüte. Abgesehen davon, dass mit diesen Tests Krankheitserreger weitergegeben werden können - es ist ganz einfach unhygienisch und rücksichtslos, Lebensmittel an dieser Stelle nur testweise in die Hand zu nehmen. Nicht nur in Corona-Zeiten, sondern generell!


Update am 26. März 2020: Die Sache mit dem Abstand halten...

Die Nachricht, verbunden mit einem Appell, wird seit Tagen gebetsmühlenartig in allen Medien wiederholt: Haltet Abstand!!! Was an der frischen Luft auffällt: Man hält sich an die Vorschrift "Nur 2", also nur zwei Personen sind auf Tour, ausgenommen Familien mit mehr Personen, die an die frische Luft wollen und müssen, vorzugsweise Kinder.

Was aber dabei noch auffällt, ist eine gewisse Ignoranz der Umsetzung der Abstandsregel. Von den vielen Zweier-Grüppchen, die uns entgegenkommen, lösen sich nur ganz wenige auf, um dann hintereinander und in 2 Metern Abstand an anderen Passanten vorbei zu gehen. Nein: Viele gehen einfach locker plaudernd nebeneinander weiter und "drücken" so die Entgegenkommenden zur Einhaltung des Abstandes auf Radweg, Straße oder halb in den Straßengraben.

Das ist nicht nur nicht nett, das ist rücksichtslos. Die Abstandsregel gilt für alle, und um sie einzuhalten, haben alle die Verpflichtung, einander genügend Platz zu machen. Denn eine "Vorfahrtsregel" im Fußgänger-Begegnungsverkehr gibt es nicht.


Update am 20. März 2020: Was bei einem Spaziergang aufgefallen ist

Wir – zwei Erwachsene, die auf ihren geplanten Besuch in Irland bei der Familie der Tochter mit drei Enkeln verzichtet haben – sind heute mal kurz an der frischen Luft gewesen und spazieren gegangen. Was sehen wir auf dem Gehweg vor uns: Zwei Männer, die sich unterhalten. Und was tun sie nicht? Sie halten keinen Abstand, sondern „sabbeln“ sich im Abstand von noch nicht einmal einem Meter voll. Im Vorbeigehen – natürlich mit gebührendem Abstand – machen wir die beiden im Lachen darauf aufmerksam, dass sie viel zu eng zusammenstehen.

Da macht es „Klick“ und sie rücken deutlich auseinander. Gut gemacht, denken wir und hoffen noch, dass die Einsicht hält. Bis wir uns kurz umschauen, weil wir eine Straße überqueren wollen. Und was sehen wir: Die beiden Männer stehen wieder nah beieinander und reden engagiert aufeinander ein.

Wir sind einigermaßen erschüttert und fragen uns, ob die Aufmerksamkeitsspanne der beiden Zeitgenossen tatsächlich nur der einer Amöbe gleicht. Haben sie die seit Tagen mantraartig wiederholten Verhaltensmaßregeln nicht gehört? Haben sie sie nicht verstanden?  Oder ignorieren sie sie ganz einfach, ohne über die Folgen nachzudenken? Genauso wie offenbar viele Menschen in bayerischen Biergärten, auf den Rheinwiesen oder in Berliner Parks?

Was – bitteschön – ist an der Vorgabe „Halten Sie Abstand“ und „Meiden Sie Gruppen“ denn so schwer zu verstehen!? Mit ihrem verantwortungslosen Verhalten tragen vergleichsweise wenige Menschen dazu bei, dass die bisherigen Regeln wohl verschärft werden – verschärft werden müssen, um viele Menschen zu schützen. Und diese Verantwortungslosen werden nun vermutlich schnell lernen, dass Freiheit und Demokratie nicht Zügel- und Regellosigkeit bedeuten. Sie werden es lernen, wenn dank ihres Verhaltens Ausgangsbeschränkungen oder Ausgangssperren verhängt werden. (Text: hallo-luebbecke.de)


Kommentar: Kein Platz mehr für Ignoranz und Egoismus

Mit massiven Schritten versuchen die Behörden, der Ausbreitung des Corona-Virus‘ Herr zu werden. Es ist schon hunderte Male gesagt, gesendet und auch geschrieben worden: Es geht nicht mehr darum, die vom Virus ausgelöste Krankheit zu stoppen. Es geht nur noch darum, ihre Weiterverbreitung zu verlangsamen, damit Kliniken, Krankenhäuser, Labore, Ärzte, Pflegekräfte usw. helfen können und nicht unser gesamtes Gesundheitssystem kollabiert.

Wer immer noch glaubt, diese weltumspannende Gesundheitsgefahr verharmlosen oder ignorieren zu können, dem muss man ganz drastisch attestieren, „den letzten Schuss nicht gehört zu haben“. Jugendliche und junge Leute, aber auch Ältere, die glauben, die Bitte um Abstand, um Reduzierung der sozialen Kontakte weglächeln zu können und sich sogar zu „Corona-Partys“ treffen, bringen nicht nur sich selbst in Gefahr, sondern stellen eine Gefahr für unser gesamtes Sozialgefüge dar.

Wobei: Wir dürfen uns über diese Art Ignoranz nicht beklagen. Denn die Generation der heute bis 40-Jährigen kennt nur absolute Freiheit im Denken und Tun, oft verbunden mit überbordendem Egoismus. Sie hat nicht die Ängste und Sorgen miterlebt, die bei vielen heute Älteren und Alten lange mit dem Bau der Mauer in Deutschland verbunden war, sie hat keine Ölkrise miterlebt und leere Straßen und Autobahnen wegen Sonntagsfahrverboten. Sie kennt nicht die teilweise Ausnahmesituation in Deutschland, ausgelöst durch den mehr als zwei Jahrzehnte dauernden Bombenterror der RAF. Sie kennt nicht die Sorgen und Ängste ihrer Eltern, als nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl Spielplätze geschlossen und unter freiem Himmel gezogene Lebensmittel vernichtet wurden. 

Aber diese Generation sollte wenigstens ihre Eltern und/oder Großeltern fragen, wie sie diese Zeiten erlebt haben, gut zuhören und daraus ihre Schlüsse ziehen. Und die können nicht sein, dass ganz einfach so weitergelebt wird wie bisher – quasi ohne Rücksicht auf Verluste.

Wer die Warnungen und bereits ausgesprochenen Verbote jetzt nicht ernst nimmt, wer sich darüber hinweg setzt und auf sein vermeintliches Freiheitsrecht pocht, trägt dazu bei, dass die jetzigen Verbote drastisch ausgeweitet werden. Der wird erfahren, dass vermeintliches Freiheitsrecht sehr schnell fast komplett außer Kraft gesetzt werden kann und wird, um die Gesellschaft in allen Altersgruppen zu schützen. Der wird drastisch und nachhaltig erfahren, was „Ausgangssperre“ heißt. Dafür schon jetzt „Vielen Dank für gar nichts“.

Was aber wirklich nicht nötig ist – und was absolut lächerlich wirkt – ist das massenweise Hamstern von Toilettenpapier und/oder Haushaltsrollen. Denn dafür gibt es nun überhaupt keinen Grund. Wer mit offenen Augen und Abstand durch die Märkte geht, wird feststellen, dass die Regale voll sind bzw. schnell wieder aufgefüllt werden. Wer Klopapier braucht, soll es kaufen – auch ein paar Rollen mehr, wenn Durchfall droht. Aber hunderte Rollen zu hamstern, macht doch wirklich gar keinen Sinn, wenn eine Stunde später das Regal damit wieder aufgefüllt ist. 

Wenn wir uns alle an die Vorgaben der Behörden und Experten halten, unsere Sozialkontakte mal einige Tage stark einschränken oder kappen und im „restlichen“ Leben den gesunden Menschenverstand einschalten und regieren lassen, tragen wir alle zur Eindämmung der Auswirkungen durch das Corona-Virus bei.

In diesem Sinne: Bleiben Sie gesund und handeln Sie vernünftig.

Wilfried Mattner - HALLO LÜBBECKE

 

Kolumne: Rückbesinnung auf das WIR

Eigentlich ist es ein Morgen wie jeder andere auch. Eigentlich. Denn der Ablauf sieht heute Morgen anders aus als sonst. Ich habe das Frühstück ausfallen lassen. Habe mir meine Handtasche und den Einkaufsbeutel geschnappt und bin als eine der ersten in der Fußgängerzone von Stuttgart. Ich wohne zentral und kann alles in Laufentfernung erreichen. Das ist normalerweise praktisch. Und NORMALERWEISE schlendere ich gerne in die Stadt für die täglichen Besorgungen. Heute beeile ich mich. Bleibe nirgendwo zu lange stehen.

Mein erster Besuch gilt der Apotheke. Dort liegt ein vorbestelltes Medikament. Mich schauen die Schilder an, die an den Kassen frisch aufgehängt wurden. “Halten Sie 2 Meter Abstand zu den Verkäufern und zu Kunden.” Ein Schlachtruf. Eine Befehl. Ich halte mich an die deutliche Aufforderung. Mit dem Medikament in der Tasche husche ich in den Supermarkt. Mache die Besorgungen, die noch dringend nötig sind. An der Kasse erlebe ich einen kurzen Schockmoment. Zwei enge Schlangen. Die Kassen sind nicht ausreichend besetzt, und die Leute stehen dicht an dicht. Genau das sollte doch verhindert werden. Und nachdem ich bezahlt habe, beschließe ich, mich für die nächsten Tage zu Hause einzuigeln. Bloß kein Risiko mehr eingehen. Weder für mich noch für andere.

Corona ist da. Seit einigen Wochen ist das Virus unser ständiger Begleiter. Zunächst im Fernsehen und im Radio. Weit weg in China. Dann ein wenig näher in Italien und nun direkt vor der Haustür. Die Situation mutet surreal an. Und es hat einen Moment gedauert, bis auch ich die Gefahr ernst genommen habe. In den schützenden vier Wänden sitze ich nun zu Hause und harre der Dinge. Versuche den Alltag “normal” zu halten. Den Kindern das “homeschooling” zu geben, das sie verdient haben. Sie zu schützen und ihnen die Zeit möglichst ausgeglichen zu gestalten. Ich denke an einen Kollegen, den es erwischt hat. Ein junger Mann, gesundheitlich eigentlich stabil. Letzte Nacht musste der Notarzt kommen. Corona ist besonders für Alte und schwache gefährlich. Genau das sagen sie doch. Ist es ein Irrglaube? Oder gibt es doch deutlich mehr “Schwache”, als wir uns eingestehen wollen? 

Das Virus hat sich in unser Leben geschlichen. Und in unserem Hochmut haben wir es zunächst ignoriert und arrogant verhöhnt. Viele haben mit ihrem Leben bezahlt.

Die Nachrichten, Social Media, Meinungen und Meinungsmache verfolgen mich. Filmchen auf LinkedIn, Instagram. Mir wird bewusst, dass es zwei Gesichter von Corona gibt. 

Da ist einmal “Corona - das Virus”. Das Menschen krank macht, Krankenhäuser über ihre Belastungsgrenze bringt und Menschen sterben lässt. Und dann ist dort “Corona - Die Wahrheit”. Denn Corona entblößt unsere Schwächen. Die Schwächen in unserer Gesellschaft und unserem einsamen Miteinander. 

Wir sind verwöhnt von Jahrzehnten absoluter Sicherheit für das Individuum. Und das Individuum wusste diese Situation zu nutzen. Entstanden ist eine absolute “Ich”Kultur mit dem ICH als wichtigstes “Gut” im Zentrum. Jeder steht an erster Stelle. Individualisierung pur. Alles ist sofort, zu jeder Zeit ganz individuell erreichbar. Respekt gegenüber ehrwürdigen Berufen wie der Polizei, Notärzten, Lehrern - Fehlanzeige. Die letzten Jahre haben den Ausverkauf der Rücksichtnahme mit sich gebracht. Potenziert von Generation zu Generation. Krasser geht es nicht. Und dann…? 

Und dann kam Corona. Und wir lernen, dass es auch ein WIR geben muss. Ein Zusammenhalt. Ein Verantwortungsbewusstsein für den Mitmenschen, die Gesellschaft, das Miteinander. Verhält sich einer verantwortungslos, kann das hunderten das Leben kosten.

Aus der Perspektive betrachtet ist Corona vielleicht auch eine Chance - nicht für jeden persönlich, sondern für unsere Gesellschaft. Ein Mahnmal dafür, dass es an der Zeit ist, unsere “Ich”-Kultur ad acta zu legen. Und uns wieder auf Werte zu besinnen, die eigentlich die Norm sein sollten. Auf ein gesundes Wir. Auf ein Verantwortungsbewusstsein, dass wir nicht nur für uns tragen sondern auch für unser Umfeld. 

Denn nur wenn wir uns genau darauf zurück besinnen, können wir die Herausforderungen meistern, die Corona aktuell so bequem verdeckt - von einer grausamen Flüchtlingskrise, über einen Wirtschaftskrieg zwischen den wichtigsten Wirtschaftsmächten bis hin zu einem Klimawandel dessen Auswirkungen bereits heute dramatische Züge annehmen. So gesehen, bleibt uns nur eins: Corona als Tragödie des aktuellen Zeitgeschehens zu betrachten. Gleichzeitig aber auch als eine Chance für unsere Gesellschaft und die Weltgemeinschaft, wieder oder überhaupt zu lernen, Probleme gemeinsam zu lösen.

In diesem Sinne: Bleiben Sie gesund.

Britta Welzer