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Fachvortrag über den „Dialog der Religionen“

Minden-Lübbecke -

Dialog der Religionen
Unser Foto zeigt von links Prof. Dr. Bassam Tibi (Referent), Hidayet Tuncer (Fachstelle NRWeltoffen bei der Stadt Bielefeld), Daniel Kapteina (Fachstelle NRWeltoffen im Kreis Minden-Lübbecke), Antje Gieselmann (Leiterin des Schulamtes im Kreis Minden-Lübbecke), Prof. Dr. Janet Kursawe (Referentin), Dr. Ralf Niermann (Landrat). Foto: Janine Küchhold - Kreis Minden-Lübbecke

Zum Jahresabschluss hat das Netzwerk NRWeltoffen im Kommunalen Integrationszentrum im Schulamt des Kreises Minden-Lübbecke zu einem Vortrag zum Thema „Dialog der Religionen – Zukunft eines friedlichen Zusammenlebens“ in den Ständersaal des Preußenmuseums in Minden eingeladen. Zu Gast waren die Politikwissenschaftler Bassam Tibi und  Janet Kursawe, die zu den Fragen „Wie wirkt Religion in unserer Gesellschaft und wie steht sie in Beziehung zur Politik?“ referierten. „Es ist wichtig, dass wir uns über Religionen, Sprachen, Kulturen und Länder informieren, über die wir noch nicht so viel wissen. Denn das hilft, Vorurteile abzubauen und es erweitert den eigenen Horizont“, sagte Landrat Dr. Ralf Niermann zum Auftakt der Veranstaltung.

Zu Beginn der Veranstaltung gab Niermann einen kurzen Überblick über die vergangenen Aktivitäten von NRWeltoffen 2019. „Die Fachstelle NRWeltoffen hat mit einem Plakatwettbewerb von Schülerinnen und Schülern im Vorfeld für die Europawahl geworben. Auch vor dem Campus Minden gab es in Kooperation mit Young Caritas eine große Werbeaktion für die Europawahl. Der Mindener Geschichtsverein hat in diesem Jahr in Kooperation mit NRWeltoffen die Broschüre „Orte erinnern“ neu aufgelegt und an alle weiterführenden Schulen im Kreisgebiet verteilt. Zudem wurden Fahrten zu lokalen Orten der Erinnerung für verschiedene Zielgruppen angeboten.“

Bürgerinnen und Bürger, dies sich näher mit dem Thema Flucht und Migration auseinandersetzen wollten, hatten die Möglichkeit, sich die Karikaturenausstellung „Ein Ort. Irgendwo“ anzusehen, die in mehreren Rathäusern der Region ausgestellt wurde. Um das Thema Flucht ging es auch bei den „Bunt statt Schwarzweiß“ – Wochen in Espelkamp, wo ein Geflüchteter aus Syrien seine Geschichte erzählte. „Es wird seit einigen Jahren so viel über geflüchtete Menschen gesprochen. Nur sehr selten wird auch mit ihnen gesprochen und noch weniger wird ihnen zugehört. Diese Menschen sind vor Krieg und Gewalt geflohen, mussten ihre Freunde und Familien zurücklassen oder haben sie bereits in einem Krieg verloren. Wir, die in Deutschland aufgewachsen sind, meist wohlbehütet und fernab von kriegerischen Auseinandersetzungen, können uns oft nicht vorstellen, wie es sich anfühlen muss, seine Angehörigen durch Waffengewalt zu verlieren und sein Zuhause verlassen zu müssen“, so Niermann weiter. 

Im ersten Gastvortrag des Abends erläuterte Bassam Tibi sein Konzept vom „Euroislam“. Bassam Tibi ist Politikwissenschaftler und war von 1973 bis 2009 Professor für Internationale Beziehungen an der Georg-August-Universität in Göttingen. Hinter seiner Idee des Euroislam verbirgt sich sein Wunsch, dass die in Europa lebenden Muslime die Prinzipien des Islam mit Werten der modernen europäischen Kultur kombinieren. Darüber hinaus geht Tibi davon aus, dass zu einer erfolgreichen Integration mehr gehöre, als nur die materielle Bedürfnisbefriedigung. Integration bedeute für ihn „Sense of Belonging“, also ein „dazugehören“.

Diese Form der Integration könne jedoch nicht ohne die Einsicht funktionieren, dass der Islam zu Deutschland gehöre. Im Grundgesetz, das in diesem Jahr sein 70-jähriges Bestehen feiert, sieht Tibi eine der größten Errungenschaften der Bundesrepublik. Kritisch sieht er den Einfluss der Religion in Deutschland. „Deutschland muss um einiges säkularer werden“, sagt er.

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Im Anschluss an Tibi beschäftigte sich Janet Kursawe in ihrem Vortrag mit der Frage, wie sich das Verhältnis zwischen Religion und Politik gewandelt hat. Kursawe ist Professorin an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung NRW in Mülheim. Vorher war sie als Professorin für das Lehr- und Forschungsgebiet Politische Soziologie an der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum tätig.

Sie sagt, dass Religion seit dem Ende der 70er Jahre weltweit zunehmend an Bedeutung gewonnen habe. Besonders das Jahr 1979 sei dabei zentral gewesen. „Die Reise von Papst Johannes Paul II. nach Polen, der Einmarsch Sowjetischer Truppen in Afghanistan, die Friedensmärsche in West und Ostdeutschland, die maßgeblich von der Evangelischen Kirche mitgetragen wurden, die Befreiungstheologie in Lateinamerika, die in den 70er Jahren ihren Höhepunkt erlebte, die Geiselnahme in der großen Moschee und die Iranische Revolution – bei all diesen Ereignissen war es die Religion, die eine Schlüsselrolle spielte. Diese Ereignisse wirken bis heute nach und haben das Verhältnis zwischen Politik und Religion nachhaltig verändert.“ Was die Thematik Migration betrifft, stellt Kursawe einen Wandel in der jüngeren Generation fest: „In der Generation meiner Kinder stellt sich die Frage nach der Herkunft oder Religion gar nicht mehr.“

In der anschließenden Diskussion zwischen den beiden Referenten und dem Publikum ging es noch einmal um die Frage, wie sich Geflüchtete bestmöglich integrieren lassen. Hierfür sei es wichtig, da waren sich Referenten und Publikum einig, dass man sich eingesteht, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und dass es dementsprechend auch eine Einwanderungspolitik geben müsse.

Das Projekt NRWeltoffen

Der Vortrag wurde im Rahmen des Projektes NRWeltoffen durchgeführt. Nach Beschluss des Kreistags beteiligt sich die Kreisverwaltung Minden-Lübbecke an der Umsetzung des Landesprogramms, das im Kommunalen Integrationszentrum im Kreisschulamt angesiedelt ist. Das Projekt setzt sich für die Stärkung der Demokratie und für die präventive Arbeit gegen Rassismus und Diskriminierung ein. 2018 wurden im Rahmen des Projektes die Handlungsfelder „Erinnerungskultur“, „Diskussions- und Debattenkultur“ sowie „Grund- und Menschenrechte“ entwickelt, zu denen es in regelmäßigen Abständen Informationsveranstaltungen gibt.
Text: Janine Küchhold - Kreis Minden-Lübbecke