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Erinnerungsorte: „Krieg ist doch nicht so spaßig“

Minden-Lübbecke -

Erinnerungsorte
Unser Foto: Dörte Heger vom Kreisjugendamt (2. Reihe, links), Franziska Homann von der Jugendförderung der Gemeinde Hüllhorst (1. Reihe, links) und Hanna Hittmeyer, Bildungsreferentin vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. (1. Reihe, rechts) sowie die Jugendlichen Lisa, Merle, Sara, Leonie und Tim. Foto: Janine Küchhold - Kreis Minden-Lübbecke

Auch 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs sind die Überreste dieser Katastrophe noch immer sehr deutlich sichtbar – auch im Mühlenkreis. Bei dem Projekt „Mitten in Westfalen“, initiiert vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., der Kreisjugendförderung, der Jugendförderung der Gemeinde Hüllhorst und der Landeszentrale für politische Bildung NRW, hatten Jugendliche aus dem Kreisgebiet die Möglichkeit, sich auf eine geschichtliche Spurensuche zu begeben. Welche Orte im Mühlenkreis erinnern noch heute an den Ersten Weltkrieg und welche Geschichten erzählen sie? Und wie ist es den Soldaten und ihren Familien während dieser Zeit ergangen? Mit diesen Fragen konnten sich Jugendlichen in einem zweitägigen Workshop intensiv beschäftigen.

Für die nötige geschichtliche Authentizität haben sich Organisatoren des Projektes etwas Besonderes einfallen lassen: Als Übernachtungsort haben sie das Gefängnis im Alten Amtsgericht Petershagen gewählt, das bereits während des Ersten Weltkrieges als Gefängnis diente. „Mit dem Projekt möchten wir den Jugendlichen zeigen, warum es wichtig ist, sich auch heute noch mit Ereignissen zu beschäftigen, die weit zurück liegen“, sagt Dörte Heger vom Kreisjugendamt über die Idee hinter dem Projekt.

Das Kriegerdenkmal aus dem Ersten Weltkrieg, das in der Nähe des Jugendcafés Ilex in Hüllhorst steht, kennen viele Menschen in Hüllhorst und in der Region. Auch die teilnehmenden Jugendlichen, die ihre Freizeit oft im Ilex verbringen, kennen das Denkmal nur zu gut.  Näher beschäftigt haben sie sich mit dem Denkmal bisher nicht. Das Denkmal zeigt einen starken Soldaten in heroischer Siegespose. „Kriegsverherrlichend“ sei das Denkmal, so die Jugendlichen. Die zum Denkmal gehörende Tafel fordert den Betrachter auf: „Künde zu Hause, wie wir als Männer gefallen in Treue zur Heimat.“ Für die Jugendlichen ist jedoch schnell klar gewesen, dass dieser Soldat, als heimattreu und stolz dargestellt, kein vollständiges Bild über das Soldatenleben im Ersten Weltkrieg darstellt. Wie viele Tote, wie viel Leid und Zerstörung der Erste Weltkrieg in den beteiligten Ländern zur Folge hatte, werde mit diesem Denkmal außer Acht gelassen, so die Jugendlichen.

Eine weitere Station während des Workshops war das Kriegsgefangenenlager in Minderheide, in dem der Historiker Norbert Ellermann die Jugendlichen herumführte. Er schilderte den Jugendlichen, wie die Gefangenen am Bahnhof Minden ankamen, den Weg zum Lager zu Fuß zurücklegen und schließlich Erdlöcher ausheben mussten, die ihnen als provisorische Unterkünfte dienten.

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Auch ein Besuch des Franzosenfriedhofes in unmittelbarer Nähe zu dem Lager stand auf dem Programm. Das Denkmal am Eingang des Friedhofes zeigt eine weinende Frau: für die Jugendlichen ein deutlicher Kontrast zum Heldendenkmal in Hüllhorst. „Ein Soldat, der in den Krieg zieht und vielleicht nicht zurückkehrt, lässt eben immer jemanden zurück“, sagt eine der Jugendlichen. Das Denkmal in Hüllhorst berücksichtige auch diese Perspektive nicht.

Mit der Frage, wie das Soldatenleben in der Wirklichkeit ausgesehen hat, beschäftigte sich das Theaterstück „Weltenbrand“, das sich die Jugendlichen am Abend des ersten Projekttages gemeinsam im Alten Amtsgericht in Petershagen anschauen konnten. Das Theaterstück der Hamburger Gruppe „Axensprung“ erzählt in einer Collage aus Text-, Musik-, und Bildelementen, wie ein junger Soldat die Zeit an der Front erlebte. In dem Stück wird für die Jugendlichen deutlich: Der anfänglichen Kriegsfreude und der Motivation für das Vaterland zu kämpfen, ist schnell Resignation und Verzweiflung gewichen. „Wenn man erstmal selber an der Front ist, merkt man als Soldat sicher schnell, dass der Krieg doch nicht so spaßig ist“, sagt eine der Jugendlichen. Das Theaterstück zeichne eine völlig andere Lebenswirklichkeit der Soldaten an der Front als das Kriegerdenkmal in Hüllhorst, finden die Projektteilnehmer.

In einem selbst erstellten Reader sowie in einem Video haben die Jugendlichen ihre Eindrücke schließlich zusammengefasst.  Was am Ende aber blieb, ist die Frage, wie man verhindern kann, dass so etwas wieder geschieht. „Die Menschen dürfen nicht vergessen, was passiert ist,“ fanden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Für sie alle ist daher klar, dass sie sich auch weiter mit der Thematik auseinandersetzen möchten. Mitinitiatorin Heger freut sich über das Ergebnis des Projektes: Mit dem Workshop ist es uns gelungen, Jugendliche aus dem Kreisgebiet mit der Thematik „Erinnerungskultur“ in Kontakt zu bringen.“

Das Kriegerdenkmal in Hüllhorst wird die Jugendlichen wohl auch in Zukunft noch beschäftigen. Bei genauerer Betrachtung fiel auf, dass auf dem Denkmal ein Hakenkreuz eingeritzt ist. Die Jugendlichen sind sich einig: „Wir werden das auf jeden Fall dem Ordnungsamt melden. Sowas wollen wir hier in Hüllhorst nicht.“
(Text: Janine Küchhold - Kreis Minden-Lübbecke)