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„Wir Juden aus Breslau“: Folgen von Antisemitismus

Espelkamp -

Fritz Stern Foto Karin Kaper

Fritz Stern ist einer der noch lebenden Zeitzeugen der Jugenverfolgung in Breslau. Foto: Karin Kaper

Esther Adler, Gerda Bikales, Anita Lasker-Wallfisch, Renate Lasker-Harpprecht, Walter Laqueur, Fritz Stern, Guenter Lewy, David Toren, Abraham Ascher, Wolfgang Nossen, Eli Heymann, Mordechai Rotenberg, Max Rosenberg, Pinchas Rosenberg: Sie sind Menschen jüdischen Glaubens, die den Holocaust überlebten und heute wohl zu den letzten noch verbliebenen Zeitzeugen der Judenverfolgung in Breslau gehören. Der Film „Wir Juden aus Breslau“ von den beiden Berliner Regisseuren Karin Kaper und Dirk Szuszies erzählt ihre Geschichte. Fünf neunte Klassen der Birger-Forell-Realschule hatten über das Projekt NRWeltoffen des Kreises Minden-Lübbecke jetzt die Möglichkeit, sich den Film im Elite-Kino in Espelkamp anzusehen.

Einer der Schauplätze des Films ist die Synagoge zum Weißen Storch. Um 1872 gebaut, während des Zweiten Weltkrieges durch die Nazis geraubt und als Lagerort genutzt, 2010 als Veranstaltungszentrum wiedereröffnet – heute ist die Synagoge ein Erinnerungsort für das jüdische Leben in Breslau vor 1933 und ein Mahnmal für die Verfolgung der Breslauer Juden. Für Fritz Stern steht sie auch sinnbildlich für das heutige Europa. „Überall werden Synagogen wieder aufgebaut, es gibt aber kaum noch Juden, die darin beten würden.“ Der Film zeigt, wie die Holocaust-Überlebenden Schülerinnen und Schülern in der Synagoge über ihre Erfahrungen berichten.

Jüdisches Leben vor 1933 in Breslau

Die Zeitzeugen schildern dabei auch, wie ihr Leben in Breslau vor 1933 ausgesehen hat. So galten die Breslauer Juden vor 1933 als stark assimiliert. Sie waren stolz darauf, deutsch zu sein. Viele hatten im Ersten Weltkrieg für Deutschland gekämpft. Mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler habe sich das Leben der Juden in Breslau drastisch geändert. Vor 1933 sei sie sich ihrer Religion gar nicht bewusst gewesen, sagt Anita Lasker-Wallfisch. „Gebt der Jüdin nicht den Schwamm“, sagte einer ihrer Mitschüler, nachdem die Lehrerin sie zum Tafelputzen aufforderte. „Plötzlich waren wir also Juden. Zuvor hat das niemanden interessiert“, so Lasker-Wallfisch weiter. Die Verfolgung der Breslauer Juden hatte zur Folge, dass sich zunächst eine starke jüdische Gemeinschaft herausgebildet hat. „Wir sind nicht in die Synagoge gegangen, weil wir jüdisch waren, sondern weil uns die Gemeinschaft fehlte.“

Von den 14 Zeitzeugen gingen einige ins Exil, andere kamen ins Konzentrationslager. „Ich war zwei Jahre in Auschwitz. Ich habe nicht überlebt, weil ich ein besonderes Talent hatte oder weil ich mich besonders hervorgetan habe. Ich habe nur deshalb überlebt, weil ich Glück hatte“, sagt einer der Protagonisten. Ein paar der Überlebenden gingen nach Israel. „Wir mussten in Israel ein neues Zuhause schaffen für diejenigen, die hoffentlich überleben würden,“ sagt ein weiterer Zeitzeuge.

Filmdiskussion

Im Anschluss an die Vorführung lud Regisseur Dirk Szuszies die Zuschauerinnen und Zuschauer zu einer Filmdiskussion ein. „Was hat sich nach dem Film für Sie geändert?“ wollte einer der Schüler wissen. „Für uns als Regisseure ist es wichtig, diese Zeitzeugen noch einmal zu Wort kommen zu lassen und das möglichst vielen Menschen zu zeigen. Wir dürfen niemals vergessen, was passiert ist, denn nur so können wir dafür sorgen, dass so etwas wie der Holocaust nicht wieder passiert.“

Jeder der Protagonisten, von denen inzwischen vier verstorben sind, hätte einen eigenen Film verdient, so der Regisseur weiter. Der Film sei von aktueller Brisanz, der ein eindringliches Zeichen gegen stärker werdende nationalistische und antisemitische Strömungen in Europa setzen wolle. Besonders der Anschlag auf eine Synagoge in Halle am Jom Kippur habe gerade wieder bewiesen, dass Filme wie dieser nötig seien, um zu zeigen, was Antisemitismus anrichten kann. Die beiden Regisseure haben mit dem Film bereits den Deutsch-Polnischen Kulturpreis Schlesien 2017 sowie die Ehrenmedaille der Europäischen Kulturhauptstadt Wrocław gewonnen.

Eine weitere öffentliche Vorführung findet am

Dienstag, 12. November 2019
um 19 Uhr
im Kino „Die Birke“ (Marienstraße 7 in Minden) statt.

Im Anschluss an die Vorführung lädt Regisseurin Karin Kaper die Zuschauerinnen und Zuschauer zu einer Filmdiskussion ein. 

Projekt NRWeltoffen

Die Filmvorführung wurde im Rahmen des Projektes NRWeltoffen durchgeführt. Nach Beschluss des Kreistags beteiligt sich die Kreisverwaltung Minden-Lübbecke an der Umsetzung des Landesprogramms, das im Kommunalen Integrationszentrum im Kreisschulamt angesiedelt ist. Das Projekt setzt sich für die Stärkung der Demokratie und für die präventive Arbeit gegen Rassismus und Diskriminierung ein. 2018 wurden im Rahmen des Projektes die Handlungsfelder „Erinnerungskultur“, „Diskussions- und Debattenkultur“ sowie „Grund- und Menschenrechte“ entwickelt, zu denen es in regelmäßigen Abständen Informationsveranstaltungen gibt.
(Text: Janine Küchhold – Kreis Minden-Lübbecke)