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NABU-Bilanz 2020: Arten sterben, Bürokratie wächst

Minden-Lübbecke -

Steinkauz
Steinkauz in einer Mindener Obstwiese: Die Steinkauzbestände sind durch die Artenschutzmaßnahmen des NABU im Kreis auf einem guten Weg. Foto: ©Karin Bohrer

„Leider hat es in Bezug auf das Artensterben bundesweit kaum Fortschritte gegeben, von einer erfolgversprechenden Wende in der EU Agrarpolitik ist nichts zu spüren“, bemängeln NABU-Pressesprecherin Sandra Meier und NABU-Kreisverbands-Vorsitzender Lothar Meckling in ihrem Rückblick auf das Jahr 2020.

Die Leistung der Landwirtschaft werde durch Preis-Dumping der großen Supermarktketten nicht ausreichend entlohnt. So werde dem Landwirt eine Förderung des Arten- und Biotopschutz auf den Flächen unmöglich gemacht.

Wenn ein Lerchenpaar seine Jungen groß bekommen soll, muss das Nest sechs bis acht Wochen vor Bewirtschaftung geschützt sein. Das ist nur auf extensiv bewirtschafteten Flächen oder in Randbereichen überhaupt denkbar, so die beiden NABU-Vertreter. Darum appelliert der NABU neben seiner Forderung nach einer Agrarwende auf europäischer und nationaler Ebene im Rahmen der in den Städten und Gemeinden anstehenden Wirtschaftswegekonzepte, alle Grünwege und breite Randstreifen in der Feldmark zu erhalten und sie nicht zugunsten von größeren Bewirtschaftungsschlägen aufzugeben. Dies würde Feldvogelarten und vielen Kleinsäugern, aber auch wirbellosen Tieren wie Insekten und anderen Arten helfen. „Insgesamt kommen diese oft bunt blühenden Streifen auch bei der Bevölkerung gut an und finden immer mehr Nachahmung auf Privatgrundstücken.“

RebhühnerRebhühner gehören zu den am stärksten bedrohten Vögeln der Feldflur. Foto: Lothar Meckling

Der Flächenverbrauch schreitet auch im Kreis Minden-Lübbecke immer weiter voran. Der NABU hatte sich in einer Stellungnahme gegen den Neubau eines Logistikzentrums in Porta ausgesprochen, bei dem Hallenkomplexe auf über 40.000 Quadratmetern errichtet werden. Mit Sorge betrachtet er die Gewerbegebietsplanung in Päpinghausen auf mehr als einem Quadratkilometer. Am in den Jahren zuvor kritisierten Bau des Regioports in Minden bleibt immer noch die Frage nach dem Bedarf ungeklärt, kaum Umschlag ist zu beobachten, die Containerstellfläche ist marginal belegt, und für die vielbeschworene Trimodalität fehlt immer noch ein Eisenbahnanschluss. Als besonders schwerwiegende Planung sieht der NABU mit seinen ostwestfälisch-lippischen Partnerkreisen den Bau einer ICE Neubautrasse von Hannover nach Bielefeld an und hat sich für einen trassennahen Ausbau ausgesprochen.

Allein über 60 Stellungnahmen wurden vom NABU Minden-Lübbecke im Zusammenhang mit öffentlichen Planverfahren abgegeben. Hierbei handelt es sich um Verfahren, zu denen meist mehrere Aktenordner durchgearbeitet werden müssen. Auch hier sehen die NABU-Vertreter große Probleme. Um überhaupt noch etwas für den Naturschutz herauszuholen, ist ein immenser Aufwand von Nöten, die das Ehrenamt so nebenbei leisten muss. Oft reicht nicht mehr die übliche Ortskenntnis und Wissen über besondere Vorkommen von Tieren und Pflanzen aus, vielmehr sind fundierte Kenntnisse über Planungs- und Verwaltungsrecht notwendig.

Marienkäfer NABU
Der Marienkäfer gehört zu den Nützlingen unter den Insekten. Foto: ©Karin Bohrer

Um gegen das Artensterben zu protestieren, unterstützt der NABU Minden-Lübbecke die „Volksinitiative Artenvielfalt“ der Naturschutzverbände in NRW. An zwei Terminen wurden dafür Unterschriften in der Mindener Innenstadt gesammelt. Auch im NABU-Besucherzentrum Moorhus in Lübbecke werden Unterschriften für die Volksinitiative gesammelt. Die Abgabe ausgefüllter Unterschriftenbögen ist auch weiterhin möglich!

Dass diese anhaltenden Defizite den Menschen im Kreis Minden-Lübbecke nicht gleichgültig sind, sieht man u.a. am Mitgliederzuwachs des NABU Minden-Lübbecke in den vergangenen Jahren. Mit nunmehr 2400 Mitgliedern ist der NABU der stärkste Umweltschutzverband im Kreisgebiet.
„Natürlich hat auch uns“, so Pressesprecherin Sandra Meier und Vorsitzender Lothar Meckling, „die Corona- Pandemie getroffen. Wir hatten gerade nach dem ersten Lockdown begonnen, das Besucherzentrum Moorhus unter strengen Hygieneauflagen zu öffnen, die Bildungsarbeit, die im Frühjahr ruhen musste, wieder anlaufen zu lassen, als die zweite Welle uns erneut zu einer Schließung veranlasste.“

Eine Spende der Schülerschaft der Gesamtschule Hüllhorst mit über 2000 Euro war daher enorm hilfreich, um diese Krisenzeit zu überbrücken, so die Vorstandsmitglieder, die sich an dieser Stelle noch einmal für das Engagement der jungen Leute bedanken.

Fledermaus langohr
Diese seltene Langohrfledermaus wurde im NABU-Artenschutzhaus in Varl gefunden. Foto: ©Sandra Meier

Aber auch die Umweltpädagog*innen des NABU im BNE Regionalzentrum Moorhus waren nicht untätig. Neben dem Angebot kleinerer Präsensveranstaltungen in der Zeit über den Sommer, so Nicolai Meyer, wurde für die Zukunft geplant und entwickelt. Beispielsweise konnte das Bildungsmodul "Kleine Moorkunde" für die Durchführung in Kleingruppen unter Corona-Auflagen umgestaltet werden und ein neues Angebot einer digitalen Nachhaltigkeitsrallye am Moorhus für Schüler*innen der SEK I über die Bildungsapp BIPARCOURS entwickelt werden.

Zum Einsatz kam die App dann zum ersten Mal auf einem bunten Familientag im Besucherzentrum im September, den viele Familien mit begeisterten Kindern besuchten. Das vom Moorhus-Team ausgeklügelte und mit dem Ordnungsamt abgestimmte Hygienekonzept sorgte für einen sicheren und erfolgreichen Ablauf der Veranstaltung. Während die Kinder und Jugendlichen an der Nachhaltigkeitsrallye teilnahmen, Vogelfutter-Äpfel bastelten oder einfach am Lagerfeuer verweilten, konnten die Eltern an den Ausstellungsständen stöbern und Stauden, Wollprodukte und Kunsthandwerk kaufen.

Weiterhin erfolgte eine BNE-Multiplikator*innen-Schulung " zum Lernort Bauernhof und nachhaltige Landwirtschaft" auf dem Biohof Wiehenglück. „Zudem haben wir uns“, erläutert Nicolai Meyer, „an den Wandeltagen2020 im Rahmen des BNE-Netzwerks 17plus und an der Gründung des Arbeitskreis MINT Minden-Lübbecke beteiligt.“

Fieberklee
Fieberklee ist auch als Bitterklee bekannt. Foto: ©Karin Bohrer

Für das Große Torfmoor konnte in Zusammenarbeit mit Biologischer Station, dem Kreis Minden-Lübbecke und Zertifizierten Natur- und Landschaftsführer*innen die von der NRW Stiftung Naturschutz, Heimat und Kulturpflege finanzierte Lauschtour eingerichtet werden. Über eine App, die unter www.lauschtour.de heruntergeladen werden kann, können an 16 Lauschpunkten Informationen über das Große Torfmoor abgerufen werden, ohne dass man dafür eine Internetverbindung benötigt.

Die Arbeit der NABU-„Handwerker“, die sich jeden Samstag am Moorschutz-Hof in Nettelstedt treffen, musste unter Corona-Auflagen und damit erschwerten Bedingungen wie Abstand halten und Masken tragen organisiert werden. Nicht wenige Arbeitseinsätze fielen aus. Dennoch wurden zahlreiche Projekte umgesetzt und Pflegearbeiten durchgeführt.

Diverse Arbeiten im Großen Torfmoor beschäftigten die mobile Einsatztruppe, kann deren Organisator Eckhard Schlömer berichten, wie die Wegeinstandhaltung, die Erneuerung von Hinweispfählen und Absperrungen, Abstimmungsgespräche über Maßnahmen einschließlich der Beweidung und Betreuung des Moores zusammen mit der Biologischen Station.

Ein Schwerpunkt im Winterhalbjahr ist immer das Schneiteln von Kopfweiden und Schneiden von Hecken, so Eckhard Schlömer, um das Auseinanderbrechen der Weiden zu verhindern und sie als Lebensraum für Insekten und Vögel, wie z.B. den Steinkauz, zu erhalten. Durch das Auf-den-Stocksetzen von Hecken kann man deren Vergreisung verhindern. So verjüngt wachsen sie wieder dicht auf.

Es wurden Nistkastenbausätze zugeschnitten, um diese dann im Zuge von Ferienspielen mit Kindern, Kindergarten- und Schulgruppen zusammenzubauen. So konnten für Fledermäuse, Kleinvögel zahlreiche neue Quartiere hergestellt werden. Bei den Aktionen konnte Wissenswertes zum naturnahen Garten und einem natürlichen Umfeld vermittelt werden.

Die evangelische Kirche in Bad Holzhausen wurde mit der Auszeichnung „Lebensraum Kirchturm“ bedacht. Pfarrerin Vollert und Pfarrer Bäcker nahmen die Auszeichnung mit Freude entgegen. Im Kirchturm konnte ein Schleiereulenkasten angebracht werden. Weitere Baumaßnahmen ermöglichen nun Turmfalken und Schleiereulen, Dohlen und Fledermäusen dort ihre Jungen aufzuziehen, ohne den Turmbereich mit der Glockenstube zu beeinträchtigen.

Trotz einer extensiven Beweidung mit Schafen auf NABU-eigenen Streuobstwiesen mussten einige Bereiche auch mit Maschinen gemäht werden. Die Bundesfreiwilligen Eileen Neufeld und Justus Wiegmann fuhren mit Hand-Balkenmäher die großen Flächen ab. Dabei half die Firma Tielbürger mit der Spende eines neuen Balkenmähers.

Aber auch die Trockenheit setzte den Obstwiesen des NABU im Sommer 2020 zu. Geschädigte Bäume mussten ersetzt oder die Bestände ergänzt werden. Mit Hilfe von Spenden, zum Beispiel durch die Stadtwerke Minden, konnten 25 alte Obstbaumsorten gekauft und von Freiwilligen gepflanzt werden. Besonders erfolgreich war eine Familienaktion auf einer Obstwiese in der Rauhen Horst. Familien und ein Dutzend Kinder pflückten begeistert das Obst. Die anschließende Versaftung erfolgte in einer heimischen Mosterei und der gewonnene Obstsaft stieß auf rege Nachfrage.

Die Arbeitsgruppe „Artenschutz“ hat wieder verschiedensten Tierarten wie Schleiereule, Steinkauz, Waldkauz, Uhu, Wanderfalke, Weißstorch, Turmfalke, Hohltaube und vielen Kleinvögeln wie z. B. Schwalben, Feldsperlingen und Stare durch konkrete Maßnahmen geholfen. Die Beringung von Weißstorch, Uhu und weit über 100 jungen Steinkäuzen im vergangenen Jahr kosteten viele Stunden Arbeit. In vielen Fällen konnte der NABU beim Schutz von bedrohten Fledermäusen Behörden und Privatleuten Hilfestellung leisten.

Viele Anfragen zum Artenschutz oder auch für Anzeigen von Verstößen laufen in der Geschäftsstelle im NABU Besucherzentrum Moorhus auf.

So erledigen den größten Teil der Aufgaben im Natur- und Umweltschutz Ehrenamtliche. Und da geht es dem NABU wie allen Vereinen: Er kann jede Art an Unterstützung gebrauchen. Dennoch ist der NABU stolz auf das, was er auch im vergangenen Jahr 2020 wieder geschultert hat. Über 2000 Stunden ehrenamtliche Arbeit haben die Aktiven überschlägig geleistet.

Zudem entsendet der NABU ehrenamtliche Vertreter in zahlreiche Gremien wie den Naturschutzbeirat, den Begleitarbeitskreisen zu den Landschaftsplänen, den Fachbeirat bei der Biologischen Station und zu vielen anderen Fachgesprächen.

Sandra Meier, Lothar Meckling, Ralf Quellhorst (2. Vorsitzender) und Erich Sommer (Kassenwart) bedanken sich im Namen des geschäftsführenden NABU-Vorstands bei allen Mitgliedern, Ehrenamtlichen und Unterstützern für Spenden und geleistete Arbeit. Der NABU wird sich mit ihrer Hilfe auch in 2021 für den Natur- und Umweltschutz im Kreis Minden-Lübbecke einsetzen.
(Text: Lothar Meckling – NABU Kreisverband Minden-Lübbecke)