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Erinnerung: Auf den Spuren der Novemberpogrome von 1938

Lübbecke -

Novemberpogrome
Einweihung des Gedenksteins auf dem Platz der ehem. Synagoge, 12.11.1961

Das Datum markiert eine der dunkelsten Stunden deutscher Geschichte: In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 fielen überall im Reich Menschen über ihre jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger her. In dem von der NSDAP organisierten und gelenkten Gewaltausbruch kam es zu einer Welle willkürlicher Verhaftungen, zahllose Wohn- und Geschäftshäuser wurden geplündert und zerstört, über 1.400 Synagogen und Versammlungsräume in Brand gesteckt. Auch die jüdische Gemeinde in Lübbecke blieb davon nicht verschont.

Als Rechtfertigung für die bewusste Zerstörung jüdischen Eigentums wurde von Seiten der NSDAP ein Ereignis angeführt, das sich wenige Tage vor dem Pogrom ereignet hatte. Der aus Polen stammende Herschel Grynszpan hatte in Paris den deutschen Gesandtschaftsrat Ernst vom Rath angeschossen und schwer verletzt. Mit dem Attentat wollte Grynszpan gegen die Zwangsdeportation seiner Eltern, Geschwister und tausender weiterer polnischer Juden protestieren.

Als vom Rath am 9. November 1938 an den Folgen des Anschlags verstarb, war für die NSDAP der propagandistische Vorwand für die Zerstörung des jüdischen Eigentums gefunden. Zudem erschien der 9. November 1938 der NSDAP noch aus einem anderen Grunde als besonders geeignet für einen Anschlag auf die jüdischen Gemeinden: 15 Jahre zuvor hatte Hitler in München zum Putsch gegen die bayerische und die Reichsregierung aufgerufen. Der Aufstand hatte an der Feldherrnhalle ein Ende gefunden, die NSDAP wurde reichsweit verboten, Hitler inhaftiert und zu mehrjähriger Festungshaft verurteilt.

Anlässlich des Jahrestages des Hitler-Putsches fanden am 9. November 1938 überall in Deutschland Kundgebungen und Feierstunden der NSDAP statt. Hitler und der Reichspropagandaminister Joseph Goebbels forderten dabei in ihren Reden in München Vergeltung an den Juden für den Tod vom Raths.

Synagoge LK

Südseite der Synagoge Lübbecke, um 1920

Auch in Lübbecke war die NSDAP am Abend des 9. November 1938 zu einer Großveranstaltung zusammengekommen. Nach deren Abschluss hätten sich, wie in der Stadtchronik festgehalten wurde, wegen des Todes des Ernst vom Rath „judenfeindliche Kundgebungen entwickelt. Die tiefe Empörung machte sich in Protestkundgebungen vor der Synagoge und jüdischen Wohnhäusern Luft. Eine Anzahl Fenster in jüdischen Wohnungen wurden zertrümmert und in den frühen Morgenstunden brannte die Synagoge nieder, nur die Umfassungswände blieben stehen.“

80 Jahre nach der Pogromnacht wird am 9. November 2018 beim „Weg der Erinnerung“ 2018 an die damaligen Ereignisse und an Einzelschicksale der Mitglieder der jüdischen Gemeinde Lübbecke erinnert. Dabei wird der Umgekommenen und der Überlebenden der Shoah gedacht und an den Umgang mit dem Sterben, dem Tod und dem Totengedenken im Judentum angeknüpft. Nach jüdischem Glauben stehen am Ende der Zeit Körper und Seele eines jeden Menschen als Einheit wieder auf. Um diese Auferstehung möglich zu machen, sind nach jüdischem Verständnis die körperliche Unversehrtheit und das zuvor gewährte ewige Ruherecht der Verstorbenen unerlässlich. Verstorbene jüdischen Glaubens dürfen aus diesem Grunde nicht verbrannt, jüdische Friedhöfe nicht übermauert, neu belegt oder gar zerstört werden. Zur Zeit des Nationalsozialismus aber wurden Millionen Menschen jüdischen Glaubens ermordet und zudem ihre Hoffnung auf das ewige Ruherecht mit Füßen getreten. Davon betroffen waren auch Familien aus Lübbecke.

Hier gibt es bis heute zwei jüdische Friedhöfe. Der 1863 eingeweihte neue jüdische Friedhof befindet sich an der Gehlenbecker Straße, der ältere jüdische Friedhof an der Straße „Feldmark“, nördlich der Kernstadt. Auf dem alten jüdischen Friedhof geben Mitwirkende des „Weges der Erinnerung“ am 9. November 2018 in der Zeit von 15 bis 16.15 Uhr Informationen über die Geschichte der Friedhöfe und der jüdischen Gemeinde. Interessierte können entweder selbst zum dortigen Friedhof fahren oder um 14.45 Uhr, 15 Uhr, 15.15 Uhr und 15.30 Uhr kostenfrei den eingerichteten Pendelverkehr vom Parkplatz an der Bergertorstraße zur Feldmark nutzen. Die letzte Rückfahrt vom Friedhof zum Parkplatz erfolgt gegen 16 Uhr.

Der sich anschließende gemeinsame Beginn des „Weges der Erinnerung“ ist um 16.30 Uhr an der St.-Andreas-Kirche Lübbecke. Von dort geht es ins Andreas-Gemeindehaus und anschließend weiter zum Platz der Synagoge. Der Vorbereitungskreis für den „Weg der Erinnerung“ bittet die Bevölkerung um rege Teilnahme an der Veranstaltung, die sich des mahnenden Erinnerns und der politischen Wachsamkeit verpflichtet sieht.
(Text: Andreas Püfke - Stadt Lübbecke)

Naziaufmarsch 1933
Durchmarsch durch die Stadt Lübbecke am 1.5.1933 Ecke Lange Straße und Tonstraße