• Lübbecke
  • Espelkamp
  • Rahden
  • Pr. Oldendorf
  • Hüllhorst
  • Stemwede

Vater darf allein entscheiden und lässt den Pieks zu

Impfung 
Impfen oder nicht? Über diese Frage kann es auch unter Eltern Streit geben. Landet er vor Gericht, ist das Kindeswohl dafür entscheidend, wer von beiden Elternteilen in dieser Frage das letzte Wort hat. Foto: pixabay.de

Sollen Kinder gegen die so genannten Kinderkrankheiten geimpft werden oder nicht? Diese Frage bewegt derzeit nicht nur Eltern und Kinderärzte, sondern auch die Politik.

So besteht nach dem Infektionsschutzgesetz bereits eine Pflicht zur ärztlichen Impfberatung vor der Aufnahme eines Kindes in eine Kindertageseinrichtung. Wollen Eltern ihr Kind in einem Kindergarten oder einer Kindertagesstätte erstmals anmelden, so müssen sie schriftlich nachweisen, dass zeitnah vor der Aufnahme eine ärztliche Beratung in Bezug auf einen vollständigen, altersgemäßen und nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (SIKO) am Robert Koch-Institut ausreichenden Impfschutz des Kindes erfolgt ist. Wird dieser Nachweis nicht erbracht, kann das Gesundheitsamt die Personensorgeberechtigten zu einer Beratung laden (IfSG §34 Abs.10a), erklärt die Lübbecker Juristin Regina Gerdom, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht.

Doch nun soll den Kindertageseinrichtungen auch eine Meldepflicht auferlegt werden. Kindergärten und Kindertagesstätten sollen verpflichtet werden, neben der Prüfung dieser Impfberatung auch diejenigen Eltern an die Gesundheitsämter zu melden, die diese Impfberatung nicht vorgenommen haben. Damit soll es den Gesundheitsämtern ermöglicht werden, impfunwillige Eltern gezielt anzusprechen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf liegt dem Bundestag vor. Gegen hartnäckige Impf-Verweigerer kann die Gesundheitsbehörde dann Bußgelder verhängen. Hier können bis zu 2500 Euro fällig werden.

Die Gesetzesvorlage ist umstritten, ebenso wie die Frage, ob jedes Kind nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (SIKO) am Robert Koch-Institut geimpft werden soll.

Auch Eltern eines Kindes können über die Frage der Impfung ihres Kindes unterschiedlicher Meinung sein. Was passiert, wenn ein Elternteil die empfohlenen Impfungen ablehnt, das andere Elternteil diese aber durchführen lassen möchte?

Sollen Kinder gegen die so genannten Kinderkrankheiten geimpft werden oder nicht? Diese Frage bewegt derzeit nicht nur Eltern und Kinderärzte, sondern auch die Politik.

Regina Gerdom ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht mit Kanzlei in der Franz-Liszt-Straße 23 in Lübbecke

Der Fall

Einen solchen Fall hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden (BGH Beschluss vom 03.05.2017, AZ: XII ZB 157/16). Nichteheliche Eltern einer mittlerweile fünf Jahre alten Tochter, die gemeinsam das Sorgerecht ausübten, waren uneinig, ob ihre Tochter die von der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut empfohlenen altersentsprechenden Schutzimpfungen erhalten sollte oder nicht.

Der Vater befürwortete die Impfungen, die Mutter nicht. Die Mutter gab an, das Risiko von Impfschäden wiege schwerer als das allgemeine Infektionsrisiko. Nur wenn ärztlicherseits Impfschäden mit Sicherheit ausgeschlossen werden könnten, könne sie eine anlassunabhängige Impfung ihrer Tochter befürworten. Auch hatte die Mutter Vorbehalte, da sie eine »unheilvolle Lobbyarbeit von Pharmaindustrie und Ärzteschaft« befürchtete.

Da sich die Eltern nicht einigen konnten, beantragten sie wechselseitig bei dem für sie zuständigen Amtsgericht die Alleinübertragung der Gesundheitsfürsorge. Wird einem Elternteil dieser Teil des Sorgerechts übertragen, so kann dieses Elternteil allein über gesundheitliche Maßnahmen für das Kind entscheiden, also auch über die Durchführung von Impfungen.

Das zuständige Amtsgericht übertrug dem Vater das Entscheidungsrecht über die Durchführung der Impfungen. Die Mutter legte gegen diese Entscheidung Beschwerde beim Oberlandesgericht Jena ein. Da sie damit im Wesentlichen keinen Erfolg hatte, legte sie eine weitere Beschwerde beim BGH ein.

Anzeige

Der BGH jedoch wies auch diese Beschwerde der Mutter zurück. Als Begründung führte der BGH aus: Nach §1628 S.1 BGB dürfe das Familiengericht, wenn sich die Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit, die für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, die Entscheidung dem Elternteil übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht werde.

Nach Ansicht des BGH hat das OLG den Vater mit Recht als besser geeignet gesehen, um über die Durchführung der aufgezählten Impfungen des Kindes zu entscheiden. Das OLG habe in zulässiger Weise darauf abgestellt, dass der Vater seine Haltung an den Empfehlungen der STIKO orientiere. Die Impfempfehlungen der STIKO seien vom BGH bereits als medizinischer Standard anerkannt worden.

Da bei dem Kind keine besonderen Umstände vorlägen, wie z.B. eine Impfunverträglichkeit, habe das OLG auf die Impfempfehlungen als vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreifen dürfen. Das OLG musste auch kein gesondertes Sachverständigengutachten über allgemeine Impfrisiken einholen.

Somit darf der Vater die gemeinsame Tochter impfen lassen, auch gegen den Willen der Mutter. (Text: Regina Gerdom)