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WENN MAMA TIGER ZU TISCH BITTET...

Ströhen -

Nach einer Tragzeit von 110 Tagen brachte im Tierpark Ströhen die Tigerdame Amudaja vier gesunde Babys zur Welt. Die ersten Wochen verbrachte die Tigerin mit ihren Vierlingen in einem überdachten Gehege. Rund um die Uhr wich die Tigermutter ihren Babys nicht von der Seite.
Wenn jemand dem Gehege zu nahe kam, dann baute sich die Tigerdame ganz groß am Gitter auf und zeigte den neugierigen Besuchern was sie von derartigen Annäherungsversuchen hält. Ein ganz böser Blick mit angelegten Ohren sagt mehr als 1000 Worte.
Wenn die Tigermama zu Tisch bittet, dann geht es nicht um die Wurst, sondern ums gerupfte Hühnchen. Mit über zwei Kilogramm sind die kleinen sibirischen Tiger jetzt aus dem Gröbsten raus, und so stand der Tag der Familienzusammenführung in der großen Freianlage an. Ein gefährliches Unterfangen. Nicht selten wird dann der Nachwuchs vom Kater attackiert und kann dabei sogar tödlich verletzt werden. Nicht so bei Vater Akbar. Der entpuppte sich mit seien 13 Lenzen richtig als Familienvater. Auf direktem Weg hatten sich die Vierlinge unter einer Bank versteckt. Doch wie Katzenliebhaber wissen, sind Katzen sehr neugierig. Ein ganz Mutiger aus dem Quartett hatte sich im Freigehege auf den Patt gemacht, war seiner Mutter gefolgt und stand plötzlich seinem mächtigen Vater gegenüber.
Den Beobachtern stockte der Atem. Doch Akbar gab seinem Nachwuchs mit einem kräftigen Gebrüll nur zu verstehen, wer hier das Sagen hat. Dem Kleinen war bestimmt sein Herz ins Fell gerutscht. Wie versteinert blieb der Knirps im Tigerlook stehen. Akbar aber hatte sich schon wieder wichtigeren Aufgaben gestellt und sich im Schatten zum Schlafen niedergelegt. Immer noch stand der kleine Tiger da, wo er vom Vater angebrüllt worden war - vermutlich nach dem Motto: "Wann werde ich denn hier wohl wieder von meiner Mutter abgeholt..." Und dann geschah das, wovon viele Tierparkbesucher nur träumen können. Die Tigerin hatte den Verlust ihres Babys bemerkt und war sofort zur Stelle. Bei herrlichem Sonnenschein griff sie sich ihren "Kurzen" und schlenderte mit ihm im Maul dahin zurück, von wo er ausgebüxt war. Jetzt war der Kleine wieder bei seinen Geschwistern und schnurrte ihnen sein erstes Erlebnis mit dem Papa.
Danach erfrischte sich die Tigerdame mit ihrem Kater vor den Augen der staunenden Tierparkbesucher im Swimmingpool der Freianlage. Neugierig verfolgten die Tigerbabys vom Rand aus das lustige Treiben der Tigereltern im Wasser. Und so kam es, wie es eigentlich noch gar nicht kommen sollte. Einer der Vierlinge rutschte vom Beckenrand ab und nahm ein erstes unfreiwilliges Bad. Im Gegensatz zu Hauskatzen sind Tiger nicht wasserscheu.
Akbar, der gewaltige Tigerkater (300 Kilogramm), wurde seinerzeit vom Muttertier nicht angenommen und musste von der Tierparkchefin Almuth Ismer mit der Hand aufgezogen werden (siehe Foto mit dem Fläschchen). Bei einem Geburtsgewicht von 1.800 Gramm stand es lange Zeit nicht gut um Akbar. Doch der kleine hilflose Kerl rappelte sich immer wieder auf und wuchs zu einem stattlichen Kater heran.
Almuth Ismer erinnert sich: "Akbar war wirklich schon ein Familienmitglied und verstand sich sogar mit unseren Hunden prächtig. Ein Bild für die Götter, wenn Akbar mit unseren Hunden im Garten herumtollte. Es kam der Zeitpunkt, dass wir Akbar mit ca. 300 Kilogramm Kampfgewicht nicht mehr im Haus halten konnten. Obwohl die Nachfrage nach dem gewaltigen Tiger riesig war, haben wir uns entschlossen, den Tiger bei uns im Naturtierpark zu behalten. Akbar hat in unserer Freianlage Wohnrecht auf Lebenszeit", schmunzelt Almuth Ismer. Aber Akbar sollte in seiner neuen Wohnung nicht lange allein bleiben. Im Berliner Tierpark hatte man eine Tigerdame Namens Amudaja (5) abzugeben. Wird Akbar diese Dame mögen? Es war ein Versuch wert. "Nicht Akbar war es dann, sondern die Tigerin aus der Großstadt war es, die das Herz des prächtigen Katers eroberte", wird von Ann (35), der Tochter von Ismers berichtet. Ann hat ihr gutes Händchen für Raubtiere wohl von ihrer Mutter geerbt. Einmal am Tag besucht sie die Freianlage und wird dort schon von Akbar sehnsüchtig erwartet und begrüßt. Ohne Krauleinheiten lässt Akbar die Tochter seiner Ziehmutter dann nicht wieder gehen.
In freier Wildbahn gibt es von diesen wunderbaren Raubkatzen nur noch etwa 250 Exemplare. Tiger gelten in der Natur als Einzelgänger. Sie finden sich nur zur Paarungszeit zusammen. Tigermännchen sind Polygam (d.h. sie paaren sich mit mehren Weibchen). Bei der Jungenaufzucht spielen diese prächtigen Raubkatzen keine Rolle. Tiger können ein Gewicht bis 300 Kilogramm erreichen. Wobei die Weibchen wesentlich leichter und kleiner sind. Geschlechtsreif werden Tiger mit drei bis vier Jahren. Nach einer Tragzeit von ca. 110 Tagen wirft das Weibchen meist zwei bis vier Junge, von denen in freier Wildbahn nur ein Exemplar das fortpflanzungsfähige Alter erreicht. Ihre bevorzugte Beute sind in freier Wildbahn große Huftiere, z.B. Hirsche und Wildschweine, ferner Kleintiere wie Hasen und Hühner. Sehr gern schlägt diese anmutige Raubkatze auch Fische. Obwohl diese Tigerart in freier Wildbahn keine natürlichen Feinde hat, ist sie doch vom Aussterben bedroht. Das Fell des Amur-Tigers wird auf dem Schwarzmarkt mit bis zu 50.000 Euro gehandelt. Aus diesem Grund leben weltweit in der Wildnis nur noch wenige Exemplare dieser wunderbaren Riesenkatze. Die Tierschützer auf der ganzen Welt haben dafür gesorgt, dass der Bestand der Amur-Tiger in der Obhut des Menschen stetig wieder steigt und z.Zt. über 1.200 Exemplare beträgt. Die Ursachen des vom Aussterben bedrohten Amur-Tigers liegen u.a. auch in seiner Lebensraumzerstörung durch den Menschen.
Unter der Obhut des Menschen können Tiger 25 Jahre alt werden. Unser Akbar hat gerade Geburtstag gefeiert. Mit seinen 13 Lenzen, das ist sicher, wird er den Besuchern hierzulande noch lange erhalten bleiben und hoffentlich noch öfters dafür sorgen, das seine Art uns erhalten bleibt. (Text: Presse-BILD-Agentur Martin Kemper /NOKEM)